Zu dem Gedicht

Zu dem Gedicht „Chor der Geretteten“ von Nelly Sachs

Predigt, ursprünglich zum „Israeltag“ am 20. August 2017 (tatsächlich gehalten am 28. 1. 2018.  Internationaler Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz am 27. 1. 1945).

Helmut Pillau

 

Wenn man ein Gedicht liest, begegnet man sich selbst auf eine Weise, wie man es sonst nicht gewohnt ist. Dies erklärt vielleicht auch die Scheu, die manche vor der Lektüre von Gedichten haben. Man meint sich doch in seiner Haut ganz wohl zu fühlen und möchte darin nicht gestört werden. Gedichten von deutsch-jüdischen Autoren wie Nelly Sachs und dem mit ihr befreundeten Paul Celan kommt womöglich im besonderen Maße eine solche, im produktiven Sinne verstörende Funktion zu. Sie konfrontieren uns nicht nur mit dem Schicksal der Juden unter dem Vorzeichen des Holocaust, sondern auch mit uns selbst, den Nachfahren der Nazi-Täter.

Im Mittelpunkt der Predigt soll heute ein Gedicht von Nelly Sachs stehen: „Chor der Geretteten“, das zu dem Gedichtzyklus: „Chöre nach der Mitternacht“ gehört und 1946, also unmittelbar nach dem Ende des Krieges, entstanden ist. Viele von uns verbinden mit dem Namen Nelly Sachs den Nobelpreis, der ihr 1966 in Stockholm verliehen wurde. Sie erhielt diesen Preis zusammen mit dem israelischen, in Hebräisch schreibenden Dichter Joseph Agnon. Seitdem scheint klar zu sein, dass es sich bei ihr um eine spezifisch jüdische Dichterin handelt, vielleicht sogar in einem zionistischen, also jüdisch-nationalen Sinne. Ein kurzer Blick auf ihre Lebensgeschichte lässt einen jedoch an einer solchen eindeutigen Einordnung zweifeln.

Geboren wurde sie 1891 in Schöneberg ̶ damals noch kein Bezirk von Berlin, sondern eine selbstständige Stadt. Sie wuchs sehr behütet in einem großbürgerlichen Elternhaus auf, in dem das Judentum neben der dominierenden deutschen Kultur keine große Rolle mehr spielte. Ihr Vater, ein erfolgreicher Geschäftsmann, verstand sich als deutscher Patriot. Als Nelly Sachs mit siebzehn Jahren Gedichte zu schreiben begann, bewegte sie sich selbstverständlich im Strom der deutschen literarischen Tradition, insbesondere derjenigen der Romantik. Der große Einschnitt kam erst nach 1933, also der Machtergreifung Hitlers. Von den Nationalsozialisten aus der sogenannten deutschen „Volksgemeinschaft“ verstoßen, musste sie sich mit ihrer verblassten jüdischen Identität auseinandersetzen. Nach dem frühen Tod ihres Vaters lebte sie zusammen mit ihrer Mutter unter immer bedrängter werdenden Verhältnissen. Dass sie sich mit ihrer Mutter 1940 vor der Deportation zu retten vermochte, hat sie vor allem der Initiative einer nichtjüdischen Freundin, einer Berlinerin, zu verdanken. Diese reiste nach Schweden, um dort bei der damals schon todkranken Dichterin Selma Lagerlöf und einem Bruder des schwedischen Königs um Unterstützung für eine Einreise der beiden Frauen zu bitten. Im letzten Moment gelang diese Flucht  ̶  der Bescheid zu ihrem Abttransport in ein Lager war  schon mit der Post eingetroffen.

Erst unter dem Eindruck dieser Erfahrungen und schließlich in ständiger Konfrontation mit den Enthüllungen über den Holocaust begann für Nelly Sachs das Schicksal der Juden zum beherrschenden Thema ihrer Dichtung zu werden. Ziemlich lange dauerte es, bis man sich in Deutschland für ihr Werk zu interessieren begann. 1949 erschienen Gedichte von ihr in der DDR. In der Bundesrepublik wurde man auf sie erst etwa zehn Jahre später aufmerksam, dann aber recht intensiv. 1965 erhielt sie den „Friedenspreis des deutschen Buchhandels“.

Wenn sich Nelly Sachs in ihrem Gedicht als Exponentin der „Geretteten“(„wir“), an die anderen, die anscheinend Lebenstüchtigen („ihr“) wendet, so dürfte eine solche Ansprache bei den Deutschen unmittelbar nach dem Krieg ohne Resonanz geblieben sein. Ganz davon erfüllt, sich eine Verteidigung zurechtzulegen und eine mögliche Verantwortung für die Katastrophe abzuwehren, fehlte ihnen jedes Gespür für die Befindlichkeit der überlebenden Opfer. Deutsche Juden wie Hannah Arendt und Gershom Scholem, die kurz nach dem Kriege ihre alte Heimat besuchten, registrierten zu ihrem Schrecken eine innere Verhärtung bei ihren ehemaligen Landsleuten. „Gleichgültigkeit, Apathie, Gefühlsmangel [und] Herzlosigkeit“[1] herrschten hier etwa nach der Wahrnehmung von Hannah Arendt vor.

Kurzsichtig wäre es aber, dieses Gedicht nur historisch, als Zeugnis für die Ausnahme- Situation unmittelbar nach dem Kriege, zu verstehen. Indem wir uns bei der Lektüre des Gedichts auf die innere Not der „Geretteten“ nach dem Kriege einlassen, treten uns unweigerlich die Geflüchteten mit ihren Nöten in unserer Gegenwart vor Augen. Denken müssen wir auch an diejenigen, die wie in der Nachkriegszeit ihre Sinne vor diesen Nöten verschließen. So bauen sich ja manche Deutsche heutzutage eifrig eine „feste Burg“ aus ihren ideologischen und materiellen Werten, um sich vor dem Leid der Geflüchteten abzuschirmen. Sie möchten sich nicht so gern das Privileg nehmen lassen, in ihrem eigenen Wohlstand zu ersticken. Taub müssen sie demnach auch sein für das Flehen der „Geretteten“, das in dem Gedicht von Nelly Sachs laut wird.

Eindringlich konfrontiert uns die Dichterin damit, was es bedeutet, Überlebender zu sein. Menschen sind das, denen der Tod, dem sie knapp entronnen sind, noch nähersteht als das Leben, in das sie äußerlich zurückgefunden haben. Nelly Sachs prägt uns dieses Fortdauern der Todesnähe etwa dadurch ein, dass sie dreimal, also beinahe hämmernd, die Wendung „immer noch“ verwendet:

„Immer noch hängen die Schlingen für unsere Hälse gedreht/ Vor uns in der blauen Luft – / Immer noch füllen sich die Stundenuhren mit unserem tropfenden Blut/ Wir Geretteten, / Immer noch essen an uns die Würmer der Angst.“ [2]

Viel hängt für die Überlebenden davon ab, dass die anderen ihnen zuhören. So setzen die Überlebenden zweimal dazu an, sich mit Bitten, eigentlich Hilferufen, an die anderen zu wenden. Da die „Geretteten“ bislang in der Hochspannung einer ständigen tödlichen Bedrohung existiert haben, hat für sie das alltägliche Leben seine Selbstverständlichkeit verloren. So können sie durch Alltägliches wie „eines Vogels Lied“[3] oder „Das Füllen eines Eimers am Brunnen“[4]  aus der Fassung gebracht werden.  Hinter allem könnte ja noch Bedrohliches lauern. Heutzutage würde der Psychologe von „posttraumatischen Belastungsstörungen“ sprechen, worunter  seiner Einschätzung nach fast die Hälfte der Geflüchteten leiden soll.  Darüber bloß den Kopf zu schütteln, hieße, sich in seiner vermeintlichen Normalität zu verschanzen. Stattdessen müssten wir, die Glücklicheren, Geduld für die Traumatisierten aufbringen, damit diese „das Leben wieder leise lernen“[5]. Eben darum bitten die „Geretteten“.

Obwohl es in dem Gedicht nur um die Seelenlage von Überlebenden zu gehen scheint, geht es demnach genauso um uns. Indem uns die Überlebenden in ihre Seele blicken lassen, fragen sie nach unserem Sinn für andere und damit auch nach unserer eigenen Seele. Haben wir uns bereits so sehr von unserer Sorge um das eigene Wohlergehen übermannen lassen, dass wir die Hilferufe der „Geretteten“ oder aktuell der „Geflüchteten“ gar nicht mehr hören? Sind wir so sehr in uns selbst verkapselt wie unsere Vorfahren unmittelbar nach dem Kriege?

Das Gedicht kann somit zu einem Prüfstein für unsere inneren Verhärtungen werden, mit denen wir fatalerweise  unsere alltäglichen Konkurrenzkämpfe zu bestehen suchen.

Überlebender zu sein, bedeutet, wie wir gesehen haben, noch nicht in ein menschenwürdiges Leben zurückgefunden zu haben. Man weiß, gerade das entbehren zu müssen, was einen über eine bloß physische Existenz hinaushebt. Die „Geretteten“ sprechen in dem Gedicht viermal vom „Staub“, um ihre Angst vor einem endgültigen Verschwinden in der Anonymität des Materiellen zum Ausdruck zu bringen: „Unser Gestirn ist vergraben im Staub.“[6] Endgültig von ihrer Angst überwältigt zu werden, heißt für sie, in „Staub“ zu zerfallen: „Es könnte sein, es könnte sein/ Daß wir zu Staub zerfallen- / Vor euren Augen zerfallen in Staub.“[7] Sie können sich nur noch daran erinnern, einmal einen „Odem“ und eine „Seele“ besessen zu haben: „Wir odemlos gewordene, / Deren Seele zu Ihm floh aus der Mitternacht“.[8] Immerhin wissen sie, dass  zwar ihre „Seele“ nicht mehr in ihnen wohnt, diese aber doch woanders ein Asyl gefunden hat. Ihre „Seele“ soll sich nun bei „Ihm“, also in der Obhut Gottes, befinden.  Obwohl sich die „Geretteten“ ganz hohl fühlen, können sie demnach noch einen Unterschied machen zwischen dieser aktuellen Befindlichkeit und dem Leben überhaupt.

Am Ende des Gedichts ist zum vierten Mal vom „Staub“ die Rede.

Statt bloß wie bisher nur in der Passivität des Opfers zu verharren, werden nun die „Geretteten“ aktiv. Sie setzen sich zu den anderen in Beziehung, indem sie diese als Individuen ins Auge fassen und ihnen die Hand drücken. Allerdings geschieht dies nur, um sich zu verabschieden. Auf eine paradox anmutende Weise betonen die Überlebenden zweimal, also mit Nachdruck, dass sie mit den anderen nur im Negativen, also im „Abschied“, vereint seien. Dabei sind beide Seiten dem Staub ausgesetzt: Vom „Abschied im Staub“ ist die Rede. Der „Staub“, die Verflüchtigung des menschlichen Wesenskerns, bedroht demnach nicht nur die Überlebenden, sondern auch die anderen, die sich so sicher fühlen.  Dass wir im Kern unzerstörbar sein sollen, dürfte sich angesichts der Übermacht des Staubes als schöne Einbildung erweisen. Wir alle drohen uns im Nichts aufzulösen.

Schwer fällt es, in diesem Gedicht einen Hoffnungsschimmer auszumachen. Der Gedichtzyklus insgesamt „Chöre nach der Mitternacht“ endet jedoch nicht ganz perspektivlos. In dem abschließenden Gedicht: „Stimme des Heiligen Landes“ ringt Nelly Sachs darum, die Perspektive einer möglichen Hoffnung zu gewinnen. Hoffnung nährt sich hier allerdings nur aus sich selbst: Sie reagiert auf eine eigentlich gebotene, aber zerstörerische Hoffnungslosigkeit. So realistisch diese auch sein mag, so wenig ist sie doch existenziell hinnehmbar.

Wenn man sich das extreme Schicksal der Juden, insbesondere den Holocaust, vor Augen führt, kann man sich in der Tat fragen, ob das Unversehrbare im Menschen: „die kleine Heiligkeit“[9], in der menschlichen Geschichte überhaupt noch eine Chance hat. Diese Frage richtet das lyrische Ich an seine jüdischen Verwandten:

„O meine Kinder, / Der Tod ist durch eure Herzen gefahren / Wie durch einen Weinberg – / Malte Israel rot an alle Wände der Erde.“[10].

Darauf antworten nun ausgerechnet diejenigen, die durch eine radikale Inhumanität zum Schweigen gebracht wurden. So werden die Überlebenden von den Toten dazu aufgefordert, nicht dem natürlichen Impuls der Rache zu folgen: „Leget auf den Acker die Waffen der Rache.“[11] Die berühmte Wendung: „Schwerter zu Pflugscharen“ aus dem Alten Testament (Jesaja 2, 4) klingt hier an. An dieser Stelle muss ich daran denken, dass Nelly Sachs 1962, also sechzehn Jahre nach der Abfassung des Gedichtes, den israelischen Präsidenten David Ben Gurion in einem Brief darum bat, Adolf Eichmann nach seiner Verurteilung zum Tode nicht hinrichten zu lassen.[12]

Ob in der Geschichte letztlich die ewige Verkettung von verbrecherischer Gewalt und Rache oder das Menschliche obsiegt, wird in dem Gedicht von keinem anderen als einem im Schlafe gemordeten Kind entschieden. Nur jemand, der als unschuldiges Opfer außerhalb dieser Verkettung steht, scheint zu einem solchen Akt in der Lage zu sein. Der Gedanke an Jesus Christus und seine Rolle für die menschliche Geschichte liegt an dieser Stelle nahe. Die Jüdin Nelly Sachs nannte ja Christus – in Übereinstimmung mit dem von ihr verehrten deutsch-jüdischen Philosophen Martin Buber – „Blume unserer Propheten“.[13]

Besiegelt wird diese sozusagen kontrafaktische Umschreibung der Geschichte durch den Namen „Israel“:

„Das Kind im Schlafe gemordet / Steht auf; biegt den Baum der Jahrtausende hinab / Und heftet den weißen, atmenden Stern / der einmal Israel hieß / An seine Krone.“[14]

Die Geschichte müsste demnach auf den Kopf gestellt werden, um noch einen Sinn in ihr finden zu können. Dieser Sinn findet sich jedenfalls nicht bei denjenigen, die sich damit brüsten, Geschichte zu machen, sondern bei denjenigen, die sie erleiden: „Schnelle zurück, spricht es [das Kind] / Dorthin, wo Tränen Ewigkeit bedeuten.“[15]

Die menschliche Geschichte von einem ermordeten schlafenden Kinde neu entwerfen zu lassen, bedeutet ja in der Tat, sie auf den Kopf zu stellen. „Israel“ kann deswegen zum Emblem der umgestülpten Geschichte werden, weil dieser Name nach Nelly Sachs für die Erlösung von einer auf Gewalt beruhenden Geschichte steht. Die Dichterin hofft jedenfalls, dass aus den Verfolgten nicht wieder Verfolger werden. So lautet der Titel eines ihrer Gedichte.[16]

Nelly Sachs hat später viele Gedichte geschrieben, die um Israel kreisen. Doch verwahrt sie sich dagegen, bloß als Anwältin der Juden in Israel verstanden zu werden. Im Falle des Gedichtzyklus kommt ein solcher politischer Bezug schon deswegen nicht in Frage, weil der Zyklus 1946, also zwei Jahre vor der Gründung des Staates Israel, entstanden ist. Gerade weil Nelly Sachs sich auf eine gleichsam visionäre Weise zu Israel bekennt, kann ihr der Staat Israel nicht genügen. „Israel“ gilt ihr nicht nur als Heimstatt aller Juden, sondern darüber hinaus als Heimstatt aller in ihrem Menschentum, ihrer „kleinen Heiligkeit“[17], missachteten Menschen.

Bei der „Stimme des Heiligen Landes“ handelt es sich um eine solche Stimme, die man hören könnte, für die man aber gewöhnlich taub ist. Mit der Redensart: >Wir haben genug eigene Probleme<, verstopfen wir in der Regel unsere Ohren.

Um Metaphern aus den beiden Gedichten aufzugreifen:  Da wir gegenwärtig allzu tief im „Staub“ bzw. „Sand“ stecken, können wir jene Stimme nicht hören ̶ noch nicht oder etwa überhaupt nicht mehr?

 

 

 

[1] Uwe- Karsten Heye: Die Benjamins. Eine deutsche Familie. Berlin: Aufbau-Verlag 2014, S. 282.

[2] Nelly Sachs: „Chor der Geretteten“, in: Nelly Sachs: „Fahrt ins Staublose“, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1988, S. 50.

[3] Ebenda

[4] Ebenda

[5] Ebenda

[6] Ebenda, S. 50.

[7] Ebenda, S. 51.

[8] Ebenda, S. 51.

[9] Ebenda, S. 68.

[10] Ebenda.

[11] Ebenda.

[12] Vgl.: Poésie et éthique. Débat modéré par Mireille Gansel. In: Nelly Sachs. Éthique et modernité. Textes réunis par Andrée Lerousseau, Claude Cazallé-Bérard, André Combes. Lille: Collection UL 3 travaux et recherches  2007, S. 198.

[13] Ruth Dinesen: Nelly Sachs. Eine Biographie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994, S. 152 und 203. (In einem Artikel über das Verhältnis von Chanukka und Weihnachten heißt es z. B.: „[…] große jüdische Gelehrte [bezeichneten] Jesus als ‚erhabensten unter den Propheten‘, als dem Judentum treuen ‚Lehrer hoher Sittlichkeit‘, als ‚Gleichnisredner ersten Ranges‘, als ‚Seele unserer Seele‘.“ Judith Neschma Klein: „Heilig Chanukka. 1932 fielen die christliche Weihnacht und das jüdische Lichterfest zusammen. In den Wohnstuben trafen sich Leuchter und Tannenbäume“.  In: Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, 24. 12. 2017, S. 9.)

[14] Ebenda (Nr.2), S. 68.

[15] Ebenda.

[16] Ebenda, S. 77.

[17] Ebenda, S. 68.

Der jüdische Philosoph Omri Boehm etwa wendet sich im Zusammenhang der aktuellen Debatte über die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels mit großer Schärfe dagegen, die räumliche Wirklichkeit Israels mit der Vision Israels gleichzusetzen. Die „Heiligung des Staates Israel“ durch israelische Nationalisten soll demnach in Widerspruch stehen zur jüdischen Religion: „Diese Kombination aus Idolatrie und Messianismus hat den Fundamentalismus hervorgebracht, den wir heute von der religiös-zionistischen Siedlerbewegung kennen: eine Heiligung des Staates Israel, verbunden mit einer heidnischen Verehrung vom Land. Durch diese giftige Mischung ist Jerusalem wahrlich zum Modell geworden, allerdings zu einem, das sehr weit von Jesajas Vorstellungen von Gerechtigkeit und Frieden entfernt ist.“ Omri Boehm: „Jerusalem, unser Goldenes Kalb. Theologisch spricht nichts für die schwärmerische Identifikation der Israelis mit ihrer Hauptstadt. Es handelt sich im Gegenteil um einen götzendienerischen Messianismus“. In: Die Zeit, 20. 12. 2017, S. 44.

Vgl. dazu auch das Gedicht „Nicht nur Land ist Israel!“ aus dem Zyklus „Flügel der Prophetie“, ebd. (Nr. 2), S. 199. (Israel ist mehr als das, was man sich unter ihm vorstellt: Es fungiert als Tor zum Unvorstellbaren.)